Wen darf ich einstellen? – Der Scheinselbstständigkeit auf der Spur
Der Trend bei Arbeitgebern geht immer mehr in Richtung, Aufträge an Selbstständige zu vergeben, um somit die hohen Nebenkosten einzusparen. Was heißt das für Agenturen und Unternehmen in der Promotionbranche? Darf ich selbstständige Promoter, Hostessen/Hosts, Eventhelfer, etc. einstellen? Wie funktioniert das Ganze mit der Selbstständigkeit in der Promotionbranche? Die Verwirrung ist oft groß. Wir möchten euch in zwei Blogartikeln darüber informieren, was die Scheinselbstständigkeit ist, woran man sie erkennt und ganz praktisch einige Beispiele bezüglich Selbst- oder Scheinselbstständigkeit in Promotioneinsätzen durchgehen.
Was ist Scheinselbstständigkeit?
Der Begriff „Scheinselbstständigkeit“ ist in erster Linie ein sozialversicherungsrechtlicher Begriff. Denn in Deutschland müssen für Angestellte Sozialversicherungen (Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) gezahlt werden. Selbstständige dagegen müssen sich selbst kranken- und pflegeversichern. Man spricht von Scheinselbstständigkeit, wenn ein Erwerbstätiger formal als Selbstständiger auftritt, tatsächlich aber eine abhängig beschäftigte Person ist. Das heißt beispielsweise für die Promotionbranche: Ein Promoter ist beim Finanzamt als Selbstständiger gemeldet, handelt jedoch nicht im eigenen Sinne, sondern nach Weisung seines Arbeitgebers hinsichtlich Arbeitszeiten und anderen Entscheidungen. Die Grenze zwischen tatsächlich Selbstständigen und Scheinselbstständigen ist fließend, eine Abgrenzung ist deshalb im Einzelfall oft schwierig.
Gesetzeslage zur Scheinselbstständigkeit
Anlass für eine Prüfung auf Scheinselbstständigkeit können die Ergebnisse einer Betriebsprüfung oder Streitigkeiten zwischen Auftraggeber und dem angeblich Selbstständigen sein. Seit 1999 durfte der Sozialversicherungsträger eine abhängige und somit versicherungspflichtige Beschäftigung unterstellen, wenn mehrere derer im Gesetz (alt: § 7 Abs. 4 SGB IV) angeführten Kriterien vorlagen. Zum 01.07.2009 ist diese Vermutungsregelung komplett weggefallen. Somit sind die Einzugsstellen und Betriebsprüfer (Krankenkassen oder Deutsche Rentenversicherung) auf eigenem Ermessen dafür zuständig, zu prüfen, ob es sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung handelt. Dennoch können die einstigen Merkmale als Indizien für Scheinselbstständigkeit herangezogen werden.
Folgende Merkmale sind hilfreich, eine sozialpflichtige Beschäftigung zu ermitteln:
- Der Mitarbeiter ist gegenüber dem Auftraggeber in zeitlicher, fachlicher und örtlicher Hinsicht weisungsgebunden (z. B. feste Arbeitszeiten, fester Arbeitsplatz, etc.)
- Der Mitarbeiter ist auf Dauer und überwiegend nur für einen Auftraggeber tätig
- Der Mitarbeiter erhält monatlich den gleichen Lohn
- Der Mitarbeiter wird in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und in den betrieblichen Ablauf einbezogen. Seine Aufgaben unterscheiden sich nicht von denen der Arbeitnehmer des Betriebs/der Agentur
- Der Mitarbeiter muss Urlaub beantragen und hat Anspruch auf Urlaub mit Entgeltfortzahlung
- Der Mitarbeiter erhält Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Folgen der Scheinselbstständigkeit
Um Scheinselbständigkeit zu bekämpfen, wird diese als ein Fall der Schwarzarbeit definiert (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG). Da ein Scheinselbstständiger rechtlich gesehen ein normaler Arbeitnehmer ist, muss der frühere Auftraggeber (jetzt Arbeitgeber) alle bis dato fälligen Sozialabgaben nachzahlen. Es wird bis zu vier Jahren zurückgerechnet. Ein weiteres Risiko: Wenn der Selbstständige seine Einnahmen nicht versteuert hat, haftet der Auftraggeber/Arbeitgeber für die Lohnsteuer. Somit muss auch die Umsatzsteuer nachgezahlt werden. Darüber hinaus gilt auch das Strafrecht (§ 266a Abs. 1 StGB). Der Arbeitgeber wird vorbestraft wegen Veruntreuen und Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Sozialversicherungen. Dies „wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.
Scheinselbstständigkeit umgehen
Bei Unsicherheit über die Frage der Selbstständigkeit kann Auftraggeber sowie Auftragnehmer innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Arbeit ein Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. Hierbei wird verbindlich festgestellt, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt. Der für das Verfahren benötigte Antragsvordruck ist online abrufbar (http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/04_formulare_und_antraege/_pdf/V0027.html). Die Möglichkeit der Statusfeststellung ist in § 7a SGB IV geregelt. Die Deutsche Rentenversicherung ist verpflichtet, ihre Entscheidung vorab bekannt zu geben, um den Beteiligten zu ermöglichen, weitere wichtige Beweise und rechtliche Gesichtspunkte anzubringen. Widerspruch gegen diese Entscheidung oder eine Klage haben aufschiebende Wirkung.
Nach diesen grundlegenden Informationen werden wir im nächsten Artikel genauer auf einige Beispiele eingehen. Einzelne Aktionen in der Promotionbranche sollen hinsichtlich Selbst- oder Scheinselbstständigkeit geprüft werden: Kann ein Promoter z. B. bei einer Verkostungsaktion als Selbstständiger abgerechnet werden? Ein spannendes Thema!